Corona und Aufenthaltsrecht

Neue, sehr wichtige Veröffentlichungen zum Umgang mit Aufenthaltstiteln während der Corona-Krise

Das BMI hat am 9. April ein neues Informationsschreiben herausgegeben, das seine Empfehlungen vom 25. März ergänzt. Darin weist das BMI unter anderem auf folgendes hin:

  • Ein Antrag auf Verlängerung eines bestehenden Aufenthaltstitels kann auch aus dem Ausland formlos per Mail an die ABH gestellt werden. Wenn der Antrag vor Ablauf des Titels gestellt wird, entsteht per Gesetz die Fiktionswirkung des §81 Abs.4 AufenthG. Die Fiktionsbescheinigung ist dann an die deutsche Botschaft vor Ort zu senden oder, in Ausnahmefällen, an eine andere Postadresse. Das BMI weist darauf hin, dass in Fällen, in denen der Titel bereits abgelaufen war, die ABH die Fortgeltungswirkung gem. §81 Abs.4 Satz4 AufenthG dennoch anordnen kann.
  • Wenn ein Pass abläuft, können auch Verlängerungsvermerke oder Stempel oder Erklärungen über die pauschale Verlängerung aller abgelaufenen Pässe der ausländischen Botschaft akzeptiert werden. In Ausnahmefällen kann die ABH von §5 Abs.1 Nr.4 AufenthG (Passpflicht als Regelerteilungsvoraussetzung) absehen, wenn eine „konsularische Betreuung“ durch die ausländische Vertretung tatsächlich nicht möglich ist.
  • Bei Studierenden soll für die Verlängerung der AE vorübergehend auf den Nachweis der Lebensunterhaltssicherung verzichtet werden, wenn diese in der Vergangenheit gesichert war und wegen der Pandemie nun keine Arbeit ausgeübt werden kann oder daher nun bei den Eltern im Ausland Einkommenseinschränkungen bestehen. Das BMI weist darauf hin, dass aktuell über die erlaubten 120 Tage hinaus zusätzliche Beschäftigungen ausgeübt werden können und bittet die Ausländerbehörden, dafür die Beschäftigungserlaubnisse (in der Regel mit Zustimmung der BA) zu erteilen. Verzögerungen beim Studium sollen bei der Verlängerung der AE nicht negativ berücksichtigt werden, wenn diese auf Corona-bedingte Einschränkungen im Lehrbetrieb beruhen.
  • Bei Personen mit Aufenthaltstitel zur Berufsausbildung oder Schulbesuch soll die Möglichkeit zum Ablegen einer späteren Prüfung gegeben werden, auch wenn der Prüfungstermin auf ein Datum nach Ablaufen des Titels verlegt wird. Dasselbe soll für die Ausbildungsduldung gelten – auch für den Fall, dass eine Verlängerung der Ausbildungszeit nicht beantragt und genehmigt worden ist.
  • Bei Personen mit Aufenthaltstitel für Qualifizierungsmaßnahmen (§16d AufenthG, früher §17a) sollen vorübergehende Unterbrechungen oder Verzögerungen der Qualifizierungen keine negativen Auswirkungen haben. Die Beschäftigung während der Qualifizierung kann weiterhin ausgeübt werden.
  • Im Beschleunigten Fachkräfteverfahren sollten die Vorabzustimmungen der ABHen grundsätzlich eine Gültigkeit von sechs statt drei Monaten erteilt werden.
  • Zur Frage nachträglicher Befristungen von Aufenthaltstiteln bei Fortfall des Aufenthaltszwecks (z.B. der Arbeitsstelle) weist das BMI auf die Ermessensspielräume der ABH hin (mit Verweis auf Nr.7.2.21 der AVwV zum AufenthG). Die ABH muss eine „sachgerechte Ermessensabwägung“ vornehmen und auch berücksichtigen, ob eine neue Arbeit in Aussicht steht oder ob z.B. Anspruch auf AlgI besteht. Das BMI verweist zudem nochmals ausdrücklich darauf, dass beim Bezug von Kurzarbeiter*innengeld das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht und dass das KUG ebenso wie das AlgI unschädlich hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung ist.
  • Das BMI weist zudem auf eine neue Verordnung hin (s.u.), nach der trotz eines abgelaufenen Schengen-Visums zunächst weiterhin rechtmäßiger Aufenthalt besteht.


Die Vorgaben des BMI haben für die Bundesländer oder Ausländerbehörden Empfehlungscharakter. Erst wenn das jeweilige Bundesland sie per Erlass für anwendbar erklärt (wie etwa Niedersachsen), sind sie dort verbindlich.


Am 9. April ist die „Verordnung zur vorübergehenden Befreiung von Inhabern ablaufender Schengen-Visa vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels auf Grund der COVID-19-Pandemie (Schengen-Visa-COVID-19-Pandemie-Verordnung – SchengenVisaCOVID-19-V)“ in Kraft getreten. Danach sind Personen bis zum 30. Juni 2020 nach Ablauf der Gültigkeit des Schengen-Visums vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, wenn sich die Personen am 17. März 2020 mit einem gültigen Schengen-Visum in Deutschland aufgehalten haben oder zwischen dem 18. März und dem 8. April mit Schengen-Visum eingereist sind. Hier gibt es den Referent*innen-Entwurf der Verordnung inkl. Begründung.


Das Land Berlin hat drei wichtige Allgemeinverfügungen veröffentlicht, nach denen bestimmte auflösende Bedingungen im Aufenthaltstitel für vorübergehend nicht anwendbar erklärt worden sind:

  • Am 24. März 2020 ist verfügt worden, dass Aufenthaltstitel entgegen einer auflösenden Bedingung nicht erlöschen, wenn neben Kurzarbeiter*innengeld Leistungen nach SGB II, XII oder AsylbLG bezogen werden.
  • Am 25. März 2020 ist ergänzend verfügt worden, dass Titel auch dann nicht erlöschen, wenn vom 18. März bis zum 17. Juni 2020 SGB II-/XII- bzw. AsylbLG-Leistungen aufgrund der Corona-Pandemie bezogen werden, wenn daneben kein Kurzarbeiter*innengeld bezogen wird. Auch bei Kündigung eines Au-Pair-Verhältnisses zwischen dem 18. März und dem 17. Juni erlischt der Titel nicht.
  • Am 6. April 2020 ist verfügt worden, dass Titel vorübergehend trotz anderslautender Nebenbestimmungen nicht erlöschen, wenn ein Ausbildungsverhältnis unverschuldet endet oder ein Beschäftigungsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt wird. Auch Titel, in denen per Nebenbestimmung die Verlängerung ausgeschlossen wurde, erlöschen demnach vorübergehend nicht. In der Begründung zu dieser Verfügung wird zudem darauf hingewiesen, dass bei Beschäftigungsduldungen unverschuldete Unterbrechungen der Beschäftigung und der eigenen Lebensunterhaltssicherung zwischen 18. März und dem 17. Juni 2020 als „kurzfristig“ bewertet werden und somit nicht zum Erlöschen führen.

Die Regelungen dieser drei Berliner Allgemeinverfügungen gelten nur für den Bereich der Ausländerbehörde Berlin. Dennoch sind diese sehr wichtig und sollten als Beispiel für andere Bundesländer herangezogen werden – zumal das BMI sich zum Erlöschen aufgrund auflösender Bedingungen nicht äußert.

Nur ergänzend dazu noch der Hinweis, dass die auflösenden Bedingungen nach unserer Auffassung in vielen Fällen ohnehin rechtswidrig sein dürften. Denn mit ihnen wird eine gesetzlich vorgesehene Einzelfallprüfung, ob etwa ein Ausnahmefall gem. §5 Abs.1 AufenthG („in der Regel“) von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegt, per Nebenbestimmung ausgehebelt.

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