Die Bezahlkarte für Asylbewerber ist Schikane und schränkt den ohnehin schon engen Handlungsspielraum von Geflüchteten noch weiter ein. Für den Staat droht die Bezahlkarte zu einer teuren Bürokratiefalle zu werden. Die einzigen Gewinner sind Firmen wie Visa und Mastercard.
Interview mit Michael Findeisen geführt von Katharina Schoenes
Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz vereinbarten im November 2023, eine Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Statt Bargeld sollen Asylsuchende künftig eine aufladbare Debitkarte erhalten. Ein Anfang 2023 gestartetes Vergabeverfahren wurde kürzlich abgeschlossen, der Zuschlag ging an das Unternehmen Secupay. Erste Bundesländer wollen die Karte im Dezember einführen, in einigen Orten laufen bereits Modellversuche.
Der Bezahlkartenbeschluss steht im Kontext einer ganzen Reihe von Asylrechtsverschärfungen. Politisch zielt er darauf ab, die Flucht nach Deutschland weniger „attraktiv“ zu machen und Auslandsüberweisungen in Herkunftsländer zu unterbinden. Die Bezahlkarte kann mit diversen Einschränkungen versehen werden, etwa einer Begrenzung von Bargeldabhebungen. Sie funktioniert nur im Inland, Überweisungen sind nicht möglich.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Bezahlkarte als Kontroll- und Repressionsinstrument: Je nach Ausgestaltung drohe eine Entmündigung und Diskriminierung der betroffenen Geflüchteten. Probleme entstehen überall dort, wo nur bar oder per Überweisung bezahlt werden kann, zum Beispiel bei Anwältinnen, in kleinen Geschäften, Imbissen oder auf dem Flohmarkt. Auch Handyverträge können nicht ohne weiteres abgeschlossen werden. Das schränkt die Handlungsmöglichkeiten von Geflüchteten, die ohnehin einer Vielzahl an Restriktionen unterliegen und mit sehr wenig Geld auskommen müssen, noch weiter ein. Was in der Debatte bislang so gut wie keine Rolle spielt, ist die Frage, wer von der Einführung der Bezahlkarte ökonomisch profitiert. Darüber spricht Michael Findeisen im Interview. Er war Referatsleiter für Zahlungsverkehr und Geldwäsche im Bundesministerium der Finanzen, und ist heute ehrenamtlicher Mitarbeiter für die NGOs Finanzwende und mafianeindanke.
Kannst Du zum Einstieg etwas genauer erklären, worum es sich bei Bezahlkarten technisch handelt? Und welche Rolle spielen sie bislang auf dem deutschen Markt?
Die Bezahlkarte für Flüchtlinge unter dem Markennamen „SocialCard“ soll als Visa-Debitkarte ausgegeben werden. Diese Bezahlkarte funktioniert wie eine sogenannte Prepaid-Card, auf die ein bestimmter Geldbetrag als Guthaben geladen beziehungsweise wiederaufgeladen werden kann. Die Karte gibt es in digitaler Form für das Handy oder als Plastikkarte mit Chip, die sich nach außen nicht von einer gebräuchlichen Visa-Kredit- oder Debitkarte unterscheidet. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass für diese Karte kein Zahlungskonto hinterlegt sein muss. Es handelt sich zumindest in Deutschland bisher um ein ausgesprochenes Nischenprodukt für Personen, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Konto haben oder haben sollen. Solche Karten, auf denen ein fester Betrag gespeichert ist, drückt man nicht geschäftsfähigen Kindern in die Hände, die allein in den Urlaub fahren oder Personen, von denen man glaubt, sie können nicht mit Geld umgehen. Dieser Paternalismus und dieses schikanöse Element ist auch der ideologische Treiber der Bezahlkarte für Geflüchtete. Ein eigenes Konto schafft Autonomie im Wirtschaftsleben, zumal es auch bei Arbeitsverträgen und bei der finanziellen Inklusion insgesamt ein absolutes Muss ist. Genau das soll jedoch verhindert werden.