Die Landesregierung NRW hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des „Ausführungsgesetzes zum AsylbLG“ vorgelegt: Darin soll eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dafür geschaffen werden, durch Rechtsverordnung die Bezahlkarte „als Regelfall“ in NRW vorzuschreiben. Damit würde die Landesregierung die Kommunen weitgehend verpflichten, eine Bezahlkarte zu nutzen – obwohl diese für die Kommunen bekanntermaßen einen wesentlich höheren Aufwand bedeutet als die bisher übliche Praxis von Kontoüberweisungen. Und obwohl das AsylbLG selbst die Bezahlkarte nur als eine Möglichkeit vorsieht, aber eben nicht als „Regelfall“.
Es ist in der Gesetzesänderung aber auch vorgesehen, dass die spätere Rechtsverordnung es den Kommunen offen lassen kann, im Rahmen einer „Opt-Out-Regelung“ aus dem unsinnigen Bezahlkartensystem auszusteigen und weiterhin Überweisungen aufs Konto zu tätigen. Umso wichtiger ist es, spätestens nach Veröffentlichung der entsprechenden Rechtsverordnung in den Kommunen Ratsbeschlüsse und Verwaltungsentscheidungen zu erreichen, mit denen sie diese Opt-Out-Möglichkeit nutzen und sich gegen die Beteiligung an der Bezahlkarte entscheiden. Es dürfte ziemlich eindeutig im Interesse der Kommunen liegen, keine Bezahlkarte einzuführen – auch wenn die kommunalen Spitzenverbände etwas anderes behaupten.
Die Bezahlkarte bedeutet für die Kommunen zum Beispiel:
– Sie müssen ein Parallelsystem zum Konto einführen und dauerhaft bearbeiten.
– Sie müssen „Whitelists“ erstellen und aktuell halten mit „vertrauenswürdigen Empfänger*innen“, an die Überweisungen vorgenommen werden können – falls Überweisungsmöglichkeiten durch die Landesregierung beschränkt werden sollten.
– Sie müssen einzelne Anträge auf Freigabe von Überweisungen oder Online-Zahlungen bearbeiten und mit begründetem Bescheid und vorheriger Anhörung beantworten. Dies muss schnell gehen, da einzelne Zahlungen meist zeitnah erfolgen müssen. (Auch dies wäre nur der Fall, wenn Überweisungen und Online-Zahlungen beschränkt werden sollten.)
– Sie müssen die Umstellung auf Bezahlkarten einzelfallbezogen, nach vorheriger Anhörung und per begründetem Bescheid vornehmen.
– Sie müssen sich mit Widersprüchen, Klagen und Eilanträgen dagegen beschäftigen.
– Sie müssen einzelfallbezogen entscheiden, wieviel Bargeld abhebbar ist. Eine pauschale festgelegte Summe werden die Sozialgerichte nicht akzeptieren, auch wenn es dazu eine Rechtsverordnung geben sollte.
– Sie müssen auf Antrag und individuelle Bedarfsanmeldung die abhebbare Summe einmalig oder dauerhaft erhöhen. Dafür müssen abgewogene und begründete Einzelfallentscheidungen nach vorheriger Anhörung getroffen werden. Denn mit der Karte kann natürlich nicht überall bezahlt werden, zumal es sich um eine Karte auf Basis des Kreditkartensystems handelt, mit dementsprechend hohen Kosten für die Geschäfte. (Versuchen Sie mal bei der Tafel, in Second-Hand-Läden, auf dem Wochenmarkt, in Gebrauchtkleiderläden, Kiosken, Eisdielen, Pommesbuden, Dönerläden, beim Sportfest, beim Schulfest mit Kreditkarte zu bezahlen!) Da all das aber dennoch zum Existenzminium zählt, muss es dann jeweils im Einzelfall durch eine Erhöhung des abhebbaren Anteils möglich gemacht werden.
– Sie müssen Zahlungen z.B. von Miete per Direktzahlung selbst vornehmen, wenn die Betroffenen dies wollen.
Gründe genug, die „Opt-Out“-Karte zu ziehen!
Immerhin deutet der Gesetzentwurf an, dass die Landesregierung anders als andere Bundesländer wohl nicht plant, die Bezahlkarten im Bundesgebiet regional zu beschränken. Und auch die Beschränkung von Überweisungsmöglichkeiten im Inland dürfte offenbar nicht angestrebt sein. Zumindest lässt sich die Gesetzesbegründung so lesen:
„Nach Nummer 3 kann eine Rechtsverordnung der Verwendungsfähigkeit der Bezahlkarte Schranken setzen. Macht die oberste Landesbehörde von ihrer Regelungskompetenz Gebrauch, so kommen insbesondere örtliche Beschränkungen der Einsatzfähigkeit der Bezahlkarte auf das Bundesgebiet, der Ausschluss von Auslandsüberweisungen und dem Geldtransfers ins Ausland sowie funktionelle Beschränkungen der Einsatzfähigkeit wie etwa die Beschränkung der Höhe einer Abhebungsfunktion in Betracht. Da für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG Auslandsreisen grundsätzlich ausgeschlossen sind, erschiene eine entsprechende räumliche Begrenzung sachgerecht. Ebenfalls als sachgerecht dürfte die Unterbindung von Überweisungen oder Geldtransfers in das Ausland zu bewerten sein, um dem vom Bundesgesetzgeber angestrebten Ziel der Vermeidung von Geldzahlungen an Schleuser zu entsprechen. Gleiches gilt für eine angemessene Begrenzung des abhebbaren Bargeldbetrages und mögliche weitere Beschränkungen.“
Auch hier dürfte es im Sinne der Kommunen und der Bezirksregierungen sein, die Bezahlkarte – wenn überhaupt – mit so wenig Restriktionen wie möglich aufzuladen. Je weniger Einschränkungen, desto weniger (zusätzlicher) Verwaltungsaufwand und desto geringer sind die sozialen Exklusionswirkungen.
Das Problem ist: Die genaue Ausgestaltung geht aus dem Gesetzentwurf nicht hervor. Er bildet nur die Grundlage für eine künftige Rechtsverordnung, die alles weitere regeln wird. Es wird daher darauf ankommen, wie diese Rechtsverordnung aussehen wird. Wichtige Punkte wären darin:
– Keine Bezahlkarte für Menschen mit eigenem Konto
– Erst Recht keine Bezahlkarte für Analogleistungsberechtigte
– Keine Beschränkung der Bargeldabhebung, jedenfalls sind 50 Euro (und 10 Euro für Kinder!) wie in Hamburg völlig abwegig. In einer rheinland-pfälzischen Kommune sind beispielsweise 200 Euro abhebbar.
– Keine Beschränkung von Inlandsüberweisungen und Online-Zahlungen. Alles andere führt zu absurdem zusätzlichen Verwaltungsaufwand und sozialer Exklusion der Betroffenen.
– Keine regionale Beschränkung, eine solche wäre dem Sozialrecht völlig fremd.
– Kein persönliches Erscheinen zum Einzahlen auf die Karte, sondern automatische Überweisungen auf die Karte. Damit könnte gerade bei den Bezirksregierungen in den ZUEen tatsächlich eine Verwaltungsentlastung erreicht werden.