Gestern hatten wir Informationen und Hinweise von Rechtsanwalt Sven Adam zum Asylbewerberleistungsgesetz verschickt (hier auch auf der Webseite der Kanzlei zu finden). Es ist dort eine wichtige Aktualisierung eingestellt: Das Sozialgericht Marburg hat in einem Beschluss vom 14.2.2025 auf einen Eilantrag festgestellt, dass das Sozialamt (bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren) dem Antragsteller, einen aus Äthiopien geflüchteten Mann, die sog. Grundleistungen nach §§3, 3a AsylbLG in Höhe der Sätze vom Jahr 2024 bewilligen muss, die um 19 Euro höher sind, als die Sätze im AsylbLG seit dem 1.1.2025 vorsehen.
Bezieher:innen von sog. Grundleistungen nach §§3, 3a AsylbLG sollen nach dem Willen der Bundesregierung eine Minusrunde hinnehmen. Die Leistungen wurden mit Wirkung ab dem 1.1.2025 für Geflüchtete, die die sog. Grundleistungen (bis zu 36 Monate lang) beziehen, im §3a AsylbLG um 16 bis 19 Euro gegenüber 2024 gekürzt. Begründet wird dies damit, dass unter Anwendung des §28a SGB XII der Bedarf jährlich errechnet werden muss und die Berechnung ergeben hat, dass die Bedarfe für das Jahr 2025 (um 16 bis 19 Euro) unter denen von 2024 lägen. Der Bestandsschutz nach §28 Abs.5 SGB XII, der dafür sorgen soll, dass die Regelsätze nicht abgesenkt werden dürfen (selbst wenn ein geringerer Bedarf errechnet wird), soll für Bezieher*innen von Leistungen nach §§3, 3a AsylbLG demnach keine Anwendung finden.
Aus dem Wortlaut des §3a AsylbLG ergibt sich jedoch, dass auch der §28a Abs.5 SGB XII auf Bezieher*innen der Grundleistungen nach AsylbLG anzuwenden ist. Im §3a Abs.4 AsylbLG heißt es unmissverständlich: „Die Geldbeträge nach den Absätzen 1 und 2 werden jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach §28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach §40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölfen Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben.“
Mit anderen Worten: auch Geflüchteten, die die sog. Grundleistungen nach AsylbLG erhalten, stehen unter dem Bestandsschutz des §28a Abs.5 SGB XII. Ihre Regelsätze dürfen nicht reduziert werden!
Dies sieht auch das SG Marburg so, wie es in seinem Eilrechtsbeschluss vom 14.2.2025 erläutert: §3a Absatz 4 AsylbLG nimmt mit der Formulierung „entsprechend der Veränderungsrate nach §28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach §40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölfen Buches Sozialgesetzbuch“ die gesamte Regelung des §28a SGB XII in Bezug und nicht zum Beispiel nur einzelne Absätze. Ein Ausschluss der Bestandsschutzregel des §28a Absatz 5 SGB XII lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.
Da das Gericht es für sehr wahrscheinlich hält, dass die Klage im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein wird, sieht es auch einen Anordnungsgrund, also die Notwendigkeit, das Sozialamt auf die sofortige Erhöhung der Leistungen auf das Niveau von 2024 zu verpflichten.
Siehe Beschluss des SG Marburg vom 14.2.2025 (AZ S 16 AY 11/24 ER) hier.
Bezieher*innen von sog. Grundleistungen nach §§3, 3a AsylbLG sollten daher Widerspruch gegen die laufenden Leistungen und Antrag auf Überprüfung und Korrektur der für die in der Vergangenheit bewilligten Leistungen seit 1.1.2025 einlegen sowie einen Eilantrag beim zuständigen Sozialgericht stellen.
Siehe dazu u.a. die Hinweise vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hier.