Mehrstaatigkeit für alle, aber dafür keinen deutschen Pass für arme Alleinerziehende, Behinderte und Staatenlose?

Pressemitteilung des Bündnisses "Pass(t) uns allen"

Bild von suksao auf Freepik (https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/pass-in-stofftasche_1155960.htm)

Das Bündnis "Pass(t) uns allen" hat zum Referent*innen-Entwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Gesetze zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts eine Pressemitteilung veröffentlicht in der sie ausführlich ihre Forderungen erklärt. Zudem gibt es eine ausführliche Stellungnahme des Bündnisses.

 

Mehrstaatigkeit für alle, aber dafür keinen deutschen Pass für arme Alleinerziehende,
Behinderte und Staatenlose? – Der Kabinettsbeschluss zur Staatsangehörigkeitsreform
enttäuscht durch Scheinbeteiligung der Zivilgesellschaft und geplante Verschärfungen

Berlin, 23. August 2023 – Heute hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf des BMI zur
Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ohne substantielle Änderungen beschlossen.
Während die Einführung der Mehrstaatigkeit und eine Verkürzung der
Mindestaufenthaltsdauer vom Bündnis “Pass(t) uns allen” als ausdrücklich begrüßenswerte
und positive Schritte für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht gewertet werden, äußert
es auch ernsthafte Bedenken bezüglich des Gesetzgebungsverfahrens und der geplanten
Verschärfungen. Diese werden das erklärte Ziel, die niedrige Einbürgerungsquote in
Deutschland zu erhöhen, konterkarieren.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen wurden für eine Stellungnahme zum
Gesetzesentwurf angefragt, doch keine der vorgeschlagenen Nachbesserungen wurde
berücksichtigt. “Die Beteiligung der Zivilgesellschaft scheint lediglich pro forma erfolgt zu
sein. Statt weitere diskriminierende Regelungen zu verabschieden, die Tausende Menschen
von einer Einbürgerung und damit voller politischer und gesellschaftlicher Teilhabe dauerhaft
ausschließen, sollte die Regierung bereits bestehende Einbürgerungshürden abschaffen. So
darf Armut kein Grund dafür sein, eine Einbürgerung verwehrt zu bekommen. Aus eigener
Erfahrung als sogenannte ‘Aussiedlerin’, die knapp ein Jahr nach ihrer Ankunft in
Deutschland unbürokratisch eingebürgert wurde, weiß ich, dass eine andere
Einbürgerungspraxis möglich und notwendig ist. Wir sollten aus positiven Beispielen wie
diesen lernen. Das würde die Einbürgerungsbehörden massiv entlasten und zur
Demokratisierung unserer Gesellschaft beitragen”, erklärt Olga Gerstenberger von With
Wings and Roots e.V.
Trotz konkreter Änderungsforderungen von zahlreichen sozialpolitisch &
migrationsspezifischen Fachexpert*innen hält das Bundeskabinett mit dem heute
verabschiedeten Beschluss an den wesentlichen Verschärfungen des innenministerial
verfassten Gesetzesentwurfs fest. So werden arme Alleinerziehende und ihre Kinder;
Renter*innen, deren Rente aufgestockt wird; Menschen mit Behinderungen und pflegende
Angehörige sowie Studierende und Auszubildende in Zukunft von der
Anspruchseinbürgerung ausgeschlossen.
Auch wurden die neu hinzugefügten Prüfungen einbürgerungswilliger Personen beibehalten.
Der Entwurf sieht vor, dass ein Mensch, der “antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich
oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen” verantwortet hat oder “durch
sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann
und Frau missachtet” von der Einbürgerung ausgeschlossen wird. Die dadurch entstehenden
zusätzlichen Prüfungen führen zu einer Verlängerung der ohnehin schon langen Wartezeiten
bis zur Einbürgerung und zu einer Überforderung von Sachbearbeiter*innen, die schon jetzt
an der Kapazitätsgrenze arbeiten.“Das birgt die Gefahr von noch mehr Willkür und der
Zunahme von institutionellem Rassismus durch rassistische und kulturalisierende
Zuschreibungen, insbesondere für muslimische Menschen und für die, die für muslimisch
gehalten werden. Sie sind ja mit solchen vermeintlich neutralen Formulierungen gemeint.
Hier werden Millionen Menschen unter Generalverdacht gestellt”, sagt Koray Yılmaz-Günay
vom Berliner Migrationsrat, einer Dachorganisation von fast 90 Migrant*innen-
Organisationen.
Trotz anderslautender Beteuerungen wird im Gesetzesentwurf die Situation von
Staatenlosen und langjährig Geduldeten nach wie vor nicht berücksichtigt. “Die Tatsache,
dass Staatenlose im aktuellen Gesetzesentwurf immer noch nicht berücksichtigt werden, ist
inakzeptabel. Seit Jahrzehnten wurden die Rechte staatenloser Menschen in Deutschland fast
vollständig ignoriert. Als Organisation sind wir bisher davon ausgegangen, dass der Grund
für diesen unzureichenden Umgang mit Staatenlosigkeit das allgemeine Unwissen in Politik
und Gesellschaft ist. Nun stellt sich aber die Frage, ob es sich tatsächlich um Unwissenheit
oder vielmehr um die bewusste Missachtung und Diskriminierung staatenloser Menschen in
Deutschland handelt. Wir sind nach wie vor bereit für und hoffen auf eine kollaborative und
konstruktive Zusammenarbeit mit der Regierung, um eine nachhaltige Lösung für die
Integration staatenloser Menschen in Deutschland zu finden”, kommentiert Christiana
Bukalo, Erste Vorsitzende von Statefree e.V.
Das Bündnis “Pass(t) uns allen” fordert, die historische Gelegenheit zu nutzen, das deutsche
Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren, das Gesetz im parlamentarischen
Verfahren nachzubessern und an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen
Migrationsgesellschaft anzupassen. Dass in der Bundesrepublik lebende Menschen weiterhin
von fundamentalen Indikatoren eines demokratischen Staates, wie dem Wahlrecht,
ausgeschlossen bleiben sollen, ist nicht hinnehmbar.

 

Kontakt

GGUA Flüchtlingshilfe
Hafenstraße 3–5 (2. Etage)
48153 Münster

Email: info(at)ggua.de
Telefon: 0251 / 14486-0
Fax:       0251 / 14486-10

Unsere Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag
9–12:30 Uhr
Montag und Donnerstag
14–18 Uhr