Gerade ist der Haushaltsentwurf 2025 für NRW veröffentlicht worden. Das zuständige und von den Grünen geführte Landesministerium (MKJFGFI) plant demnach, die Flüchtlingsberatung in NRW zu zerschlagen. In „Einzelplan 07“ (der Haushaltsteil, für den das MKJFGFI zuständig ist) ist vorgesehen, die Mittel für das Programm „Soziale Beratung von Geflüchteten (SBvG)“ von 35 auf 12,9 Mio. Euro zusammenzustreichen. Dies entspricht einer Kürzung um 22,1 Mio. Euro oder 63 Prozent! Damit würde das Programm in seiner Struktur zerstört, ganze Säulen dürften wegbrechen. Über das Programm werden bislang unter anderem die Asylverfahrensberatung, Regionale Beratung, Psychosoziale Erstberatung und Psychosoziale Zentren gefördert (hier gibt es genauere Infos zum Programm).
Warum dieser Kahlschlag? Der Haushaltsplan formuliert als knappe Begründung zu der geplanten Kürzung unter dem einschlägigen Haushaltstitel 684 41 235: „Weniger in Anpassung an die verfügbaren Haushaltsmittel und zur Absicherung von Prioritäten an anderer Stelle im Einzelplan 07.“ Eine solche „Priorität an anderer Stelle“ stellt offenbar unter anderem die Einführung der Bezahlkarte dar. Diese lässt sich die Landesregierung 2,1 Mio. Euro in den Landeseinrichtungen und 10,4 Mio. Euro in den Kommunen kosten. Im Klartext: Ein Mehr an Diskriminierung und Verwaltungsaufwand durch die Bezahlkarte ist wichtiger als Teilhabeförderung durch gute Beratung. Man will 12,5 Mio. Euro für ein unsinniges Exklusionsinstrument ausgeben und dafür bewährte Teilhabestrukturen in NRW schleifen.
Davon abgesehen werden laut der Erläuterung im Haushaltsplan Mittel in Höhe von 15,1 Mio. Euro von der Flüchtlingsberatung in das Kommunale Integrationsmanagement rübergeschoben (Kapitel 07 080 Titel 633 67). Aus den Zahlen in diesem KIM-Titel kann man die genannte Verschiebung allerdings nicht herauslesen. Denn das Gesamtbudget für Casemanagement und für die „Implementierung eines strategischen Kommunalen Integrationsmanagements“ ist nur um knapp 5 Mio. Euro höher als im letzten Haushalt für beide zusammen. Im Haushalt 2024 waren die beiden Positionen noch getrennt aufgeführt, im 2025er-Haushalt sind sie eine Summe. Das macht den Vergleich schwierig.
Aber selbst wenn tatsächlich Mittel aus der Flüchtlingsberatung in der genannten Höhe in das KIM-Casemanagement verlagert werden sollten, stellt sich die Frage: Wie soll Casemanagement funktionieren, wenn es kein Angebot mehr gibt, an das es verweisen und mit dem es sich im Sinne einer „Prozesskette“ oder eines „Schnittstellenmanagements“ verzahnen kann? Die „Handreichung zum kommunalen Einwanderungsmanagement/Integrationsmanagement“ des Landes NRW erläutert:
„Case Management“ unterscheidet sich von der klassischen sozialarbeiterischen Einzelfallhilfe („case work“) dadurch, dass die Bearbeitung und ggf. Lösung erkannter Probleme nicht von den Case Managern selbst in Angriff genommen werden (von Ausnahmen abgesehen, s.o.), sondern diese hierzu Leistungen „Dritter“ in Anspruch nehmen, d.h. den Fokus ihrer Arbeit in der kompetenten Vermittlung und Steuerung des richtigen Angebots sehen.“ (Nr. 5.3.2.5)
Wenn die Flüchtlingsberatung, die Asylverfahrensberatung, die Psychosozialen Zentren in NRW dem Rotstift zum Opfer fallen, gibt es keine „Leistungen Dritter“, in die vermittelt und kein „richtiges Angebot“ mehr, das gesteuert werden könnte. Das KIM-Casemanagement ist zwingend auf eine fachlich hochwertige, spezialisierte und behördenunabhängige Beratungs- und Unterstützungsstruktur für Geflüchtete und andere Eingewanderte angewiesen. Ansonsten läuft KIM konzeptionell ins Leere.
Aber mal weg von Casemanagement-Theorien und hin zu einem konkreten Blick in den NRW-Koalitionsvertrag. Hatten CDU und Grüne darin womöglich von Anfang an vereinbart, die Beratung für Geflüchtete in ihrer Struktur wegzuhauen? Wohl kaum. „Die unabhängige Verfahrensberatung und soziale Beratung wollen wir stärken und weiter ausbauen“, heißt es darin. „Psychosoziale Zentren und psychosoziale Beratung wollen wir stärken.“ Und: „Wir werden die Integrationsstrukturen und -prozesse stetig verbessern.“
Wie der Haushaltsentwurf mit dem Koalitionsvertrag zu vereinbaren ist, bleibt ein Geheimnis.