Kreis Gütersloh: Trotz Gerichtsentscheidung wird Abschiebung erst auf dem Weg zum Flughafen gestoppt

Meldung des Abschiebungsreporting NRW

Erst auf dem Weg zum Flughafen wurde jüngst die Abschiebung eines kurdischen Mannes in die Türkei gestoppt – und das, obwohl das Verwaltungsgericht Minden erst am Vortag, dem 8. März 2023, entschieden hatte, dass die Abschiebung nicht erfolgen dürfe. Bis über den Asylfolgeantrag des Mannes entschieden sei, sei seitens der zuständigen Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh von „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ abzusehen, heißt es im Gerichtsbeschluss. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – als für den Asylfolgeantrag zuständige Behörde – habe den Kreis Gütersloh entsprechend anzuweisen.
Den Gerichtsbeschluss hatte der Anwalt des Mannes noch am 8. März 2023 auch direkt an den Kreis Gütersloh übermittelt; die Behörde wusste also Bescheid. Trotzdem war die Intervention verschiedener Menschenrechtsorganisationen und des Anwaltes nötig, um die Abschiebung am 9. März 2023 in letzter Minute zu stoppen. Der Mann war bis zur Abholung für einige Tage im Abschiebegefängnis Büren inhaftiert und befand sich von dort bereits auf dem Weg zum Flughafen.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.: „Wie kann es sein, dass die Abschiebebeamt:innen im Kreis Gütersloh und im Abschiebegefängnis Büren einen Mann zur Abschiebung abholen, obwohl ein Gericht schon am Tag vorher anordnet, dass diese Abschiebung nicht stattfinden darf? Der Rechtsstaat in Nordrhein-Westfalen ist in Gefahr, wenn Gerichtsentscheidungen über so existenzielle Dinge wie eine Abschiebung missachtet werden. Wir verlangen sofortige Aufklärung von den beteiligten Behörden und der Landesregierung über den Grund dieser dennoch versuchten Abschiebung.“
Erst im November 2022 hat das Abschiebungsreporting NRW einen ähnlichen Fall dokumentiert: Damals hatte der Kreis Viersen die bereits laufende Abschiebung eines schwer erkrankten und suizidgefährdeten Mannes in die Demokratische Republik Kongo nicht abgebrochen, obwohl das Verwaltungsgericht Düsseldorf dies angeordnet hatte (s. Reports Abschiebungsreporting NRW vom 6. Dezember 2022 und 17. Januar 2023). Die Landesregierung gab daraufhin im Januar 2023 auf Anfrage im Landtag zu Protokoll, sie habe den Fall zum Anlass genommen, „die allgemeinen Rahmenbedingungen für eine Flugrückführung mit Blick auf gerichtliche Eilentscheidungen auf Verbesserungsmöglichkeiten hin zu überprüfen.“ (s. LT-Drs. 18/2677)
Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.: „Offenbar kann es in Nordrhein-Westfalen noch immer passieren, dass Gerichtsentscheidungen ignoriert werden, die Abschiebungen untersagen. Das Abschiebungsreporting NRW verlangt von der Landesregierung die sofortige Überprüfung des Abschiebevollzuges in Nordrhein-Westfalen. Solche Rechtsstaatsverstöße müssen sofort aufhören!“

Doch auch abgesehen von dem Rechtsverstoß der Behörden wäre eine Abschiebung in die Türkei wenige Wochen nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien regelrecht zynisch. Erst vor wenigen Tagen hat der Landtag in Düsseldorf einstimmig den Entschließungsantrag „Nordrhein-Westfalen trauert um die Opfer der Erdbeben in Syrien und der Türkei“ (s. LT-Drs. 18/3294) beschlossen. In diesem wird die Entscheidung des Bundes begrüßt, „Menschen aus den Erdbebengebieten über ein unbürokratisches Visaverfahren zu ermöglichen, zeitweise bei Angehörigen in Deutschland unterzukommen.“ Von einem vorläufigen Abschiebestopp ist darin jedoch nicht die Rede.

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