Informationen von PRO ASYL für Erdbebenüberlebende und deren Angehörige aus der Türkei und Syrien

Das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien hat Millionen von Menschen in Not gebracht. Viele Menschen in Deutschland haben Angehörige im Erdbebengebiet und wollen ihren in Not geratenen Angehörigen helfen. Das ist unter bestimmten Umständen möglich, aber kompliziert. Die aktuellen Einreisebedingungen erklärt hier Yannick Gerdes, Referendar bei PRO ASYL.

In einem ersten Schritt hat die Bundesregierung eine beschleunigte Visaerteilung für türkische Staatsangehörige, die von den Folgen des Erdbebens betroffen sind, beschlossen. Deutsche Staatsangehörige und Personen mit dauerhaftem Aufenthaltstitel in Deutschland dürfen ihre Angehörigen ersten und zweiten Grades für einen Zeitraum von 90 Tagen nach Deutschland holen. Dafür ist eine Verpflichtungserklärung notwendig.
Höchst problematisch ist, dass es für syrische Staatsangehörige bisher keine Erleichterungen gibt und sie stattdessen aufs reguläre Visumsverfahren verwiesen werden. Da jedoch Schengen-Visa für syrische Staatsangehörige aufgrund einer oft angenommen fehlenden Rückkehrbereitschaft fast nie erteilt werden, haben syrische Personen mit Angehörigen in Deutschland derzeit in der Regel nicht die Möglichkeit, Verwandte bei sich aufzunehmen.
Die Informationslage kann sich schnell ändern, wir bemühen uns, diese Seite aktuell zu halten. Weitere Informationen sind auch auf der Seite des Niedersächsischen Flüchtlingsrats und auf der mehrsprachigen Sonderseite von Handbook Germany zu finden.


Vereinfachtes Visum für türkische Staatsangehörige

Welche Anforderungen muss die Person erfüllen?
– Sie muss nachvollziehbar individuell vom Erdbeben besonders betroffen sein (zum Beispiel Obdachlosigkeit oder behandlungsbedürftige Verletzungen)
– Sie hatte zum Zeitpunkt des Erdbebens ihren Wohnsitz in einer der betroffenen Provinzen
– Sie ist Angehörige 1. oder 2. Grades (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister) von deutschen Staatsangehörigen oder von einer Person mit einem dauerhaften deutschen Aufenthaltstitel.
– Das Familienmitglied in Deutschland hat eine Verpflichtungserklärung nach §§66 bis 68 Aufenthaltsgesetz abgegeben. Details zur Verpflichtungserklärung gibt es weiter unten sowie auf der Seite des Auswärtigen Amtes sowie bei Handbook Germany.

Welche Dokumente werden für den Antrag benötigt?
Eine Auflistung findet sich auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Informationen zu den Voraussetzungen und vorzulegende Unterlagen für die Visumbeantragung für besonders vom Erdbeben betroffene Personen in der Türkei sind auf der Webseite der Auslandsvertretungen in der Türkei auch auf Türkisch veröffentlicht.

Wie lange ist der Aufenthalt in Deutschland mit dem Visum möglich?
Das Visum erlaubt einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen.

Muss die Person nachweisen, dass sie genug Geld hat?
Sie selbst muss keinen Nachweis über ihr Vermögen abgeben. Diesen muss nur die einladende Person in Deutschland in Form der Verpflichtungserklärung (siehe unten) abgeben.

Was ist, wenn die Person keinen Reisepass mehr hat?
Aktuell gibt es hier keine Sonderregelung. Das Auswärtige Amt stimmt sich dazu mit den türkischen Behörden ab.

Wo kann das Visum beantragt werden?
Das Visum kann bei den Antragsannahmezentren des Dienstleisters iDATA beantragt werden. Dies ist auch ohne vorherige Terminbuchung möglich. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Webseite der deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei und des externen Dienstleisters iDATA.

Welchen Aufenthaltsstatus muss die aufnehmende Person in Deutschland haben?
Entweder die deutsche Staatsbürgerschaft oder einen dauerhaften Aufenthaltstitel. Auch eine Niederlassungserlaubnis reicht aus.
Die Bundesregierung hat noch nicht genauer definiert, was sie unter einem dauerhaften Aufenthaltstitel versteht, weshalb die Regelung für Menschen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis noch ungeklärt ist. Inhaber einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung haben keinen Aufenthaltstitel, sie sind also nicht umfasst.

Was bedeutet die Verpflichtungserklärung und welche Risiken birgt sie?
Die verwandte Person in Deutschland muss eine Verpflichtungserklärung abgeben. Darin verpflichtet sich die Person, für alle Kosten für ihre einreisenden Verwandten aufzukommen.
Gerade bei möglichen medizinischen Kosten ist nicht absehbar, wie hoch diese ausfallen. Krankenhausaufenthalte und Behandlungen sind in Deutschland für Selbstzahler*innen sehr teuer. Erdbebenüberlebende benötigen möglicherweise eine psychologische Unterstützung, die ebenfalls selbst bezahlt werden müsste. Sollte die Person länger als die erlaubten 90 Tage bleiben, muss der oder die Verpflichtungsgeber*in außerdem für Lebensunterhalts‑, Wohnraumkosten sowie für Kosten einer möglichen Rückführung aufkommen.
Verpflichtungserklärungen umfassen einen Zeitraum von fünf Jahren.  Die finanzielle Belastung kann also mehrere Jahre andauern. Die Verpflichtung für die Personen aufzukommen bleibt für den gesamten 5‑Jahreszeitraum bestehen und erlischt weder mit dem Stellen eines Asylantrags und noch bei einer positiven Entscheidung über einen Asylantrag. Details zur Verpflichtungserklärung finden sich auf der Seite des Auswärtigen Amtes sowie bei Handbook Germany.

Wo werden Verpflichtungserklärungen abgegeben?
In der lokalen Ausländerbehörden am Wohnort der einladenden Person. Die entsprechenden Formulare gibt es ebenfalls dort.

Ist es möglich auch über die 90 Tage hinaus zu bleiben, etwa um zu arbeiten?
Grundsätzlich ist es nicht möglich, über die Dauer des Visums hinaus länger zu bleiben. Das Visum berechtigt nur zum befristeten Aufenthalt aufgrund des Erdbebens. Für andere Aufenthaltstitel, etwa für Erwerbstätigkeit, bedarf es jeweils eines speziellen Visums für genau diesen Zweck. Ob aus humanitären Gründen ausnahmsweise Verlängerungen des Visums möglich sind, ist nicht absehbar.

Ist eine Asylantragstellung nach Ankunft möglich?
Grundsätzlich ist es möglich, nach Ankunft in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Die Chancen sind aber abhängig von den Fluchtgründen und nur nach individueller Beratung zu klären.  Die bereinigte Schutzquote von türkischen Asylanträgen betrug 2021 um die 43 Prozent.
Bei der Beratung sollte unbedingt auch die Verpflichtungserklärung bedacht werden, da diese auch bei positiver Bewilligung des Asylantrags die Unterzeichner*innen, das heißt die hier lebenden Verwandten, verpflichtet, für fünf Jahre finanziell für die eingeladene Person zu sorgen (siehe oben).


Reguläres Schengenvisum unter anderem für syrische Staatsangehörige

Das reguläre Visum heißt offiziell „Schengen Visa Typ C“. Es wird auch „Touristenvisum“ oder „Besuchervisum“ genannt. Der Aufenthalt ist für 90 Tage gestattet. Da es aktuell keine vereinfachten Bedingungen für Visa für syrische Staatsangehörige gibt, sind sie gezwungen, reguläre Schengenvisa zu beantragen.

Welche Anforderungen muss die Person erfüllen?
– Sie muss den Grund Ihrer Reise nachvollziehbar und plausibel erklären.
– Ihre Reise- und Lebenshaltungskosten während Ihrer Reise sind gesichert. Das kann z.B. durch Kontoauszüge der letzten drei Monate, einen Nachweis über das Vermögen, etc. nachgewiesen werden. Falls die Person selbst nicht genügend Geld hat, kann eine in Deutschland lebende Person eine sogenannte „Verpflichtungserklärung“ abgeben.
– Eine Reisekrankenversicherung mit einer Mindestdeckungssumme von 30.000 Euro für den Schengen-Raum für die gesamte Dauer des Aufenthalts. Eine derartige Reiseversicherung kostet ca. 10 Euro pro Woche.
– Die Mitarbeiter*innen der Botschaft / des Konsulats müssen glauben, dass die Person nach Ablauf des Visums wieder ausreist. Mögliche Beweise für die Ausreisewilligkeit sind z.B.: ein Arbeits- oder Studienplatz im Heimatland, ein Kaufvertrag für eine Wohnung im Heimatland, minderjährige oder pflegebedürftige Familienmitglieder im Heimatland, etc. Diese Nachweise sollten vorgelegt werden.
Ausführliche Informationen, wie das Visum beantragt werden kann und welche Dokumente dafür benötigt werden, gibt es auf der Seite von Handbook Germany. Dort sind auch Informationen zu den Kosten zu finden.

Ist es realistisch, als Syrer*in derzeit ein Schengenvisum zu bekommen?
Gerade bezüglich der Ausreisewilligkeit bestehen gegenüber Menschen aus Syrien schon seit längerer Zeit regelmäßig hohe Bedenken, sodass sie in der Regel keine Schengenvisa erteilt bekommen. Kommen syrische Antragsteller*innen aus dem syrischen Erdbebengebiet, werden die Botschaften aufgrund des Ausmaßes der Zerstörungen leider noch viel weniger von einer Rückkehrbereitschaft ausgehen. Wir rechnen damit, dass Visa für syrische Staatsangehörige derzeit nicht vergeben werden.

An welche Stellen können sich Menschen aus Syrien wenden?
Antragstellende aus Syrien können sich aufgrund der Schließung der Botschaft Damaskus weiterhin an die umliegenden deutschen Auslandsvertretungen (u.a. deutsche Botschaft Beirut, deutsche Botschaft Amman oder das deutsche Generalkonsulat Istanbul) wenden.

Gibt es noch andere Möglichkeiten, Familienangehörige nach Deutschland zu bringen?
Die Möglichkeiten sind begrenzt, aber in einigen Bundesländern laufen noch Aufnahmeprogramme für Syrer*innen. Aktuell ist dies in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen der Fall. Die Voraussetzungen können sich in den jeweiligen Bundesländern unterscheiden, eine Übersicht und Links zu den einzelnen Erlassen findet sich hier. Grundsätzlich gilt aber auch dort, dass nur Verwandte nach Deutschland geholt werden können, es eine Verpflichtungserklärung benötigt und die aufnehmende Person schon für eine gewisse Zeit im betreffenden Bundesland gemeldet sein muss. Falls diese Voraussetzungen erfüllt sind und Beratung benötigt wird, empfehlen wir, sich an den jeweiligen Landesflüchtlingsrat zu wenden.

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