Am Mittwoch veröffentlichte das Bundesministerium des Innern und für Heimat den Referent*innenentwurf des Gesetzes zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten. Dies würde Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* und intergeschlechtliche sowie queere (LSBTIQ*) Geflüchtete aus beiden Herkunftsstaaten gefährden, anstatt sie zu schützen. Der LSVD hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Darüber hinaus erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD):
Der LSVD lehnt den durch das Bundesinnenministerium vorgelegten Entwurf zur Bestimmung weiterer sicherer Herkunftsstaaten ab. Sollte dieser vom Bundestag beschlossen werden, wäre dies ein neuerliches Einknicken vor populistischen Argumenten auf Kosten Schutzsuchender. Für die Verbändebeteiligung und zur Stellungnahme zu diesem wichtigen Thema wurde nur ein Tag Zeit durch das Bundesinnenministerium veranschlagt – üblich sind dafür sonst Fristen von mehreren Wochen. Das erschwert eine echte Beteiligung einer größtenteils ehrenamtlich arbeitenden Zivilgesellschaft erheblich und erweckt den Eindruck, dass eine kritische Begleitung durch Interessensvertretungen bewusst so weit wie möglich verhindert wird.
Bereits 1996 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss ausführliche Vorgaben zur Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsländer gemacht. Dabei wurde klargestellt, dass nur solche Staaten als sichere Herkunftsstaaten gelten dürfen, in denen Sicherheit vor Verfolgung „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen“ besteht. Gegen die Einstufung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat spricht demnach, wenn eine soziale Gruppe wie LSBTIQ* nicht sicher ist vor politischer Verfolgung. Belgien hat zudem im April Georgien von seiner Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ gestrichen. Eine Einstufung Georgiens als sicher ist ohnehin ausgeschlossen, da der Staat nicht die Kontrolle über alle Regionen hat, ja Südossetien und Abchasien sogar faktisch von Russland kontrolliert werden. Dementsprechend kann von Sicherheit vor Verfolgung in allen Landesteilen ohnehin keine Rede sein. Das gleiche gilt für Moldau, dessen abtrünnige Provinz Transnistrien ebenfalls faktisch von Russland kontrolliert wird.
Weder Ghana und Senegal, die sich bereits auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten befinden, noch die im Entwurf nunmehr neu aufgeführten Länder Georgien und Moldau erfüllen diese Voraussetzungen. Zu all den hier genannten Staaten gibt es positive Asylentscheidungen wegen der Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Einige Gerichte kommen dabei zum Ergebnis, dass LSBTIQ*-Personen in diesen Staaten ganz allgemein verfolgt werden.
Die Aussage, dass Georgien willens und in der Lage sei, LSBTIQ*-Menschen zu schützen, entbehrt jeglicher Tatsachen. Im Sommer 2023 entlud sich massive Gewalt gegen die Pride-Parade in Tiflis – diese haben seit Jahren in Georgien System. Die gewaltsamen Gegenproteste wurden auf den Sozialen Medien durch die Regierungspartei und Regierungsmitglieder befeuert. Daran wird deutlich, dass in Georgien nicht nur der Staat nicht willens oder in der Lage ist, LSBTIQ* zu schützen, sondern dass der LSBTIQ*-feindliche Hass von weiten Teilen der Regierung auch noch systematisch befeuert wird. Den Mobilisierungspraktiken dieser Gruppen sowie der Kultivierung von Homophobie und Transphobie in der Gesellschaft stehen keine effektiven Präventions- und Bestrafungsmechanismen entgegen, die große Mehrheit der Hassverbrechen bleibt ohne rechtliche Konsequenzen für die Täter.
Im Entwurf wird festgelegt, dass bei einer Veränderung der Sicherheitslage in den Herkunftsstaaten eine Neuevaluierung der Einordung als „sicherer Herkunftsstaat“ vorgenommen wird, bzw. dieser Status auch vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine situationsgerechte Anpassung ist nicht nur konsequent, sondern auch menschenrechtlich zwingend notwendig – und trotzdem aktuell keine gängige Praxis. Frankreich ordnet inzwischen Ghana wegen der sich verschlechternden Lage nicht mehr als „sicheren Herkunftsstaat“ ein. In Deutschland sind jedoch keine Bestrebungen durch die Bundesregierung sichtbar, eine Wiedereinordnung vorzunehmen. Das lässt uns an der Ernsthaftigkeit dieser Ausführungen zweifeln. In den bereits als „sicher“ eingestuften LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal existieren LSBTIQ*-feindlichen Strafgesetze. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist das ein starker Indikator dafür ist, dass der entsprechende Staat auch keinen Schutz vor nicht-staatlicher Gewalt bietet.
Die vollständige Stellungnahme des LSVD finden Sie hier.