Flüchtlingsgipfel: Der Diskurs wird nach rechts verschoben

Erklärung des Flüchtlingsrats Niedersachsen

Die Ergebnisse des gestrigen Flüchtlingsgipfels stellen eine deutliche Diskursverschiebung nach rechts dar: Erstmals erklären Bund und Länder in einem gemeinsamen Papier ihre Bereitschaft zur Etablierung eines verpflichtenden Grenzasylverfahrens an den EU-Außengrenzen. Wenn auch diese Erklärung noch mit Einschränkungen versehen ist (nur „für bestimmte Personengruppen“ und natürlich „rechtsstaatlich“), ist der Beschluss doch ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer Externalisierung des Asylverfahrens. Am Ende dieses Prozesses wird man Flüchtlingen den Zugang zu einem Asylverfahren in Europa ganz verweigern mit dem Hinweis, sie hätten in zweifelhaften Drittstaaten schon Schutz gefunden oder finden können. Pushbacks in Griechenland, Kroatien, Polen oder Litauen, der Aufbau libyscher „Seenot-Leitstellen“ durch die EU zum Zweck des Rücktransports von Geflüchteten in libysche Folterlager  oder die Internierung von Geflüchteten in Abschiebungslagern an den europäischen Grenzen verdeutlichen, wie bigott Europa mit Menschenrechtsfragen hantiert, wenn es um Flüchtlinge geht.

Die Aufnahme großer Zahlen von geflüchteten Menschen stellt, da besteht kein Zweifel, eine Herausforderung auch für die deutsche Gesellschaft dar. Dass und wie eine Interpretation der Zahlen jedoch rassistisch überformt und mit dem Ziel einer gezielten Stimmungsmache vorgenommen wird, hat der Verein „Berlin Hilft“ gut herausgearbeitet. Deren Analyse der Flüchtlingszahlen verdeutlicht, dass offenkundig nicht die Zahl der Geflüchteten, sondern die Herkunft der Geflüchteten entscheidend für die Frage ist, ob Geflüchtete im öffentlichen Drama als „Problem“ definiert werden. Der Forderung der Integrationsministerkonferenz vom 27.4.2023, alle Geflüchteten gleich zu behandeln, wollen Bund und Länder gerade nicht entsprechen.

Für die von Ländern und Kommunen geforderte stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Flüchtlingsaufnahme hätte es, worauf Claudius Vogt von der GGUA Münster zu recht hingewiesen hat, eine einfache Lösung gegeben: Die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Mit einem solchen Schritt hätte sich auch die von allen Seiten geforderte, schnellere Teilhabe von Geflüchteten herbeiführen lassen: Die Betroffenen wären wieder ins SGB II eingegliedert worden, und nicht die Sozialämter, sondern die Jobcenter wären zuständig. Geflüchtete würden nicht nur gleichwertige Leistungen erhalten, sondern auch von Beginn an (und nicht erst nach 18 Monaten) eine systematische Beratung und Vermittlung in den deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Die Menschen hätten eine Krankenversicherung, die ihren Namen verdient, und der Bund trüge, wie bei allen anderen Leistungsberechtigten im SGB II, die ganz überwiegenden Kosten. Natürlich müssten parallel die Arbeitsverbote gestrichen werden, damit auch eine ausländerrechtliche Erwerbsfähigkeit gegeben wäre – aber das ist ja ohnehin im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbart. Stattdessen fordern Bund und Länder nun schärfere Sanktionen und noch mehr Ausgrenzung, angefangen bei Grenzkontrollen und Schleierfahndung über die Deklaration von weiteren „Sicheren Herkunftsstaaten“ bis zur Erleichterung und Beschleunigung von Abschiebungen – Claudius Vogt nennt diese Politik zu Recht „erbärmlich“. Selbst anerkannte Geflüchtete sollen eingeschränkte Sozialleistungen und Sachleistungen in Gemeinschaftsunterkünften erhalten, weil eine „Ungleichbehandlung“ vermieden werden müsse. Zu welchen Schäbigkeiten wollen sich Bund und Länder noch verabreden?

Das eigentliche Problem im Bereich des sog. „Rückführungsmanagements“ stellen rechtsstaatliche Mängel der Arbeit der damit beauftragten Beamten dar: Rund 50% aller Haftbeschlüsse erweisen sich bei Überprüfung durch die Gerichte am Ende als rechtswidrig. Statt endlich für rechtsstaatliche Verfahren zu sorgen, wollen Bund und Länder mit einem ganzen Strauß von rechtsstaatlich äußerst bedenklichen Maßnahmen (Neue Haftgründe, Erweiterung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams, Legitimierung von Hausfriedensbruch bei Geflüchteten, Auslesen von Mobiltelefonen, Abschiebung in Einzelfällen trotz geltenden Abschiebungsstopps usw.) den Abschiebungsvollzug ausweiten. Zu erwarten ist in der Folge eine Brutalisierung des Abschiebungsvollzugs und eine Ausweitung von Rechtsverstößen durch die Vollzugsbehörden.

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