Das MKJFGFI NRW hat den Entwurf einer „Verordnung zur flächendeckenden Einführung einer Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) (Bezahlkartenverordnung NRW-BKV NRW)“ vorgelegt. Zusammen mit der geplanten Änderung des Ausführungsgesetzes zum AsylbLG soll die Verordnung die flächendeckende Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte in den NRW-Kommunen und Landeseinrichtungen durchsetzen. Allerdings sieht die Verordnung eine Opt-Out-Regelung vor, nach der die jeweilige Kommune entscheiden kann, dass sie die Bezahlkarte nicht nutzen will. Vernünftige Kommunen, die kein Interesse an mehr Verwaltungsaufwand, mehr Kosten und mehr Diskriminierung haben, werden diese Ausstiegsmöglichkeit (hoffentlich!) nutzen. Wichtig ist nun, in möglichst vielen Kommunen einen solchen Ausstiegsbeschluss hinzubekommen!
Ein paar Punkte zu dem Verordnungsentwurf:
– Sowohl für Grundleistungsbeziehende als auch Analogleistungsbeziehende soll die Bezahlkarte als „Regel“ vorgesehen werden. Es ist höchst zweifelhaft, ob dies mit den Vorgaben des AsylbLG vereinbar ist. Denn in §2 und §3 AsylbLG ist die Bezahlkarte zwar als eine gleichrangige Möglichkeit der Leistungserbringung vorgesehen, aber gerade nicht als vorrangig. Vielmehr haben Kommunen Ermessen auszuüben, ob sie eine Bezahlkarte oder Geldleistungen nutzen. Das Land will nun durch die Verordnung dieses durch ein Bundesgesetzes vorgeschriebene freie Ermessen einschränken: Das AsylbLG sagt, die Leistungen „können“ mit Bezahlkarte erbracht werden, das Land sagt hingegen, die Leistungen „sollen“ mit Bezahlkarte erbracht werden. Dies widerspricht sich und dürfte rechtlich kaum haltbar sein, da das Land damit eine Regelung des AsylbLG materiell ändert.
– Unabhängig davon ist jede Entscheidung der Sozialbehörde für die Bezahlkarte ein Verwaltungsakt, für den eine abgewogene Entscheidung mit Ermessensausübung und Begründung vorgenommen werden muss. Gegen jede Entscheidung können Rechtsmittel eingelegt werden. Wenn die Leistungsbehörde gar kein Ermessen ausübt, ist der Verwaltungsakt allein deswegen schon rechtswidrig.
– Für Analogleistungsberechtigte werden Ausnahmen von der Bezahlkarte gemacht, wenn sie mindestens 538 Euro (aktuelle Geringfügigkeitsgrenze) verdienen oder eine Berufsausbildung machen. Fraglich ist, was das für Familienangehörige bedeutet. Die arbeitende Ehefrau bekommt die ergänzenden Leistungen auf das Konto gezahlt und der nicht erwerbstätige Ehemann auf die Bezahlkarte?
– Bei Verlust der Arbeit soll nach drei Monaten vom Konto wieder auf die Bezahlkarte umgestellt werden. Das heißt dann zum Beispiel: Man bekommt Arbeitslosengeld I aufs Konto überwiesen und das ergänzende AsylbLG auf die Bezahlkarte. Sehr sinnvoll!
– Die Verordnung sieht 50 Euro abhebbaren Bargeldanteil pro Person vor. Die 50 Euro gelten auch für Kinder, was zumindest besser ist als z.B. in Hamburg, wo es für Kinder nur 10 Euro sind.
– Die 50 Euro „können“ überschritten werden, wenn „berechtigte Mehrbedarfe“ vorliegen. Auch dies widerspricht wohl §3 und §2 AsylbLG, da diese vorsehen, dass der Bargeldanteil erhöht werden muss, wenn bestimmte Bedarfe nicht mit der Bezahlkarte gedeckt werden können. Nach dem Gesetz ist außerdem zwingend, dass die Zusatzleistungen nach §6 AsylbLG und das Schulbedarfspaket 100/50 Euro pro Schuljahr) immer als Bargeld erbracht werden müssen. Dies berücksichtigt die Verordnung nicht. Die Sozialbehörden werden daher in vielen Fällen individuelle Prüfungen vornehmen und Entscheidungen treffen müssen, wie hoch der Bargeldanteil ist. Jeder Antrag auf mehr als 50 Euro Bargeldanteil führt zu einem Verwaltungsverfahren – mit Anhörung, Abwägung, Entscheidung und Begründung. Gegen jede negative Entscheidung können Rechtsmittel eingelegt werden.
– Die Verordnung stellt klar, dass die Aufwandsentschädigung für gemeinnützige Arbeit (80-Cent-Jobs) auf der Bezahlkarte zusätzlich abhebbar gemacht werden müssen.
– Die Bezahlkarte ist (nur) in ganz Deutschland einsetzbar. Andere räumliche Beschränkungen auf den Regierungsbezirk oder den Kreis sind allerdings ausdrücklich unzulässig.
– „Geldtransferdienstleistungen in das Ausland, Glücksspielangebot und sexuelle Dienstleistungen“ werden ausgeschlossen.
– Ob sonstige Überweisungen, Online-Zahlungen und Einzugsermächtigungen beschränkt werden, ist unklar. Denn diese werden nicht ausdrücklich genannt. Allerdings werden die Kartenfirmen aus technischen Gründen wohl ohnehin erst ab Mai 2025 Überweisungen möglich machen. Das heißt dann wohl: Die Sozialämter müssen bis dahin selbst die Überweisungen (an Telefonfirmen, Vermieter*innen, Sportverein, Verkehrsgesellschaft, Rechtsanwältin usw.) auf Antrag der Leistungsberechtigten durchführen bzw. die entsprechenden Beträge über die 50 Euro hinaus abhebbar machen.
– Die Verordnung sieht für „Härtefälle“ die Möglichkeit vor, Leistungen ohne Bezahlkarte zu gewähren.
Der Städte- und Gemeindebund NRW schreibt zum Zeitplan in NRW folgendes:
„Ab Januar 2025 wird die Karte landesseitig stufenweise eingeführt, zunächst in einer Pilotunterkunft des Landes. Am 14.01.2025 soll dann pro Regierungsbezirk in einer Unterbringungseinrichtung des Landes die Karte eingeführt werden, ab dem 01.03.2025 dann in allen Einrichtungen des Landes. Die Einführung in den Kommunen ist dann sukzessive für das Jahr 2025 geplant. Die Kommunen müssen sich dann im nächsten Jahr mit dem Kartenanbieter wegen der Einführung vor Ort austauschen. Es werden derzeit Handlungsempfehlungen für die Kommunen erarbeitet. Außerdem soll es im Januar 2025 in den Regierungsbezirken Informationsveranstaltungen für die Kommunen geben.“