Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen...

Das neue Ausländer_innen-Beschäftigungsrecht räumt mit arbeitsmarktlicher Exklusion nur halbherzig auf

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In rasantem Tempo sind in den letzten zwei Jahren die rechtlichen Möglichkeiten des Arbeitsmarktzugangs für drittstaatsangehörige Personen durch mehrere gesetzliche Änderungen sowie – zentral – durch das Inkrafttreten einer grundlegend überarbeiteten Beschäftigungsverordnung erheblich ausgeweitet worden.

Sowohl zum Zwecke der Arbeitsaufnahme neu einreisende Personen als auch bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebende Personen verfügen nun über weiter gehende Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachzugehen als bisher.

Das Ziel der neuen Beschäftigungsverordnung ist dabei klar definiert: Laut Verordnungsbegründung dienen die neuen Regelungen

„dem Ziel, gut ausgebildeten ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Zuwanderung zur Ausübung einer Beschäftigung zu erleichtern. Dabei soll das Interesse Deutschlands an den ausländischen Fachkräften als Zielgruppe der Zuwanderungspolitik deutlich herausgestellt und dem Bedürfnis der Zuwanderer nach wenigen und verständlichen Regelungen Rechnung getragen werden. (…) Außerdem sollen die Weichen für eine bedarfsbezogene Zuwanderung in den Ausbildungsberufen gestellt werden.“

Gleichsam im Huckepackverfahren sind zugleich auch die Beschäftigungsmöglichkeiten bereits in Deutschland lebender Ausländer_innen zum Teil deutlich erleichtert worden. Und doch: Konsequent wurde dieser Weg nicht beschritten. An zu vielen Stellen bleiben die Regelungen nicht weit gehend genug, bürokratisch, unlogisch und zum Teil klar diskriminierend. Die günstige Gelegenheit, „reinen Tisch“ zu machen und konsequent eine vom Aufenthaltsstatus unabhängige rechtliche Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, wurde nur halbherzig genutzt. Somit bleiben an einigen Stellen gesetzlich normierte „Teilhabe-Verhinderungs-Regelungen“ erhalten.

Dies gilt insbesondere für Menschen mit einer Duldung und einer Aufenthaltsgestattung. Die Exklusion von Menschen mit dem „falschen“ Aufenthaltsstatus aus einem der zentralen gesellschaftlichen Teilhabesysteme – dem Arbeitsmarkt – besteht also trotz leichter Verbesserungen aus ideologischen Gründen fort. Die Verfechter_innen einer falsch verstandenen Fixierung auf ordnungsrechtliche Kategorien haben hier offensichtlich die Oberhand behalten.

Auch der Zugang zu Ausbildungsförderung (BAFöG, BAB) bleibt weiterhin für Personen mit bestimmten Aufenthaltspapieren (Aufenthaltsgestattung, z. T. Duldung, bestimmte Aufenthaltserlaubnisse) versperrt. Gerade hier sind ausländerrechtliche Ausschlüsse offenkundig gänzlich sinnfrei und kontraproduktiv. Die nächsten Baustellen sind eröffnet.

Im folgenden eine stichpunktartige Zusammenfassung der nun geltendenRegelungen.

Aufenthaltserlaubnis:

Für Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis besteht nunmehr nur noch in wenigen Fällen die Notwendigkeit, eine Zustimmung zur Beschäftigung beantragen zu müssen: Diese beschränkt sich weitgehend auf die Fälle einer Neueinreise zum Zweck der Erwerbstätigkeit oder einer beruflichen Ausbildung in Deutschland sowie auf Personen mit einem Daueraufenthaltsrecht in einem anderen Unionsstaat.

Die Möglichkeiten, für eine Beschäftigung nach Deutschland neu einzureisen, sind über Akademiker_innen hinaus auch auf Menschen mit anerkannten ausländischen Ausbildungsabschlüssen erweitert worden, sofern es sich um einen Engpassberuf handelt. In diesem Fall wird zudem auf eine Vorrangprüfung verzichtet – womit nun für diese nicht-akademischen Fachkräfte aus dem Ausland sogar eine bessere Regelung gilt, als für Fachkräfte mit einem ausländischen Hochschulabschluss.

In allen Fällen besteht (außer bei Studierenden) spätestens nach einem dreijährigen Aufenthalt ein uneingeschränkter Zugang zu jeder Beschäftigung.

Darüber hinaus gilt nunmehr für Personen mit anderen Aufenthaltserlaubnissen:

Aufenthaltserlaubnisse aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (Kapitel 2, Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes; §§ 22 bis 25 AufenthG)

Mit jeder humanitären Aufenthaltserlaubnis besteht mindestens ein zustimmungsfreier Zugang zu jeder Beschäftigung – unabhängig von der Voraufenthaltszeit (§ 31 BeschV). Das heißt: Die Bundesagentur für Arbeit (ZAV) wird nicht beteiligt, eine Arbeitsmarktprüfung findet nicht statt. Allerdings muss die Ausländerbehörde formal in den Fällen, in denen nicht per Gesetz schon eine Berechtigung zu jeder Erwerbstätigkeit besteht (v. a. § 23 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG) die Beschäftigung erlauben. Hierfür findet keine inhaltliche Prüfung statt, sondern in der Nebenbestimmung wird z. B. vermerkt: „Beschäftigung ist gestattet“. Falls dies bislang nicht der Fall sein sollte und etwa noch als Nebenbestimmung steht: „Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde / Bundesagentur für Arbeit gestattet“, sollte hier auf eine Änderung der Nebenbestimmung gedrängt werden.

Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (auch Honorar- bzw. freiberufliche Tätigkeit) ist nicht automatisch erlaubt. Hierfür ist weiterhin eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde erforderlich, die diese nach § 21 Abs. 6 AufenthG erteilt.

Warum an dieser Stelle nicht konsequent die grundsätzliche Erlaubnis zur Ausübung jeder Erwerbstätigkeit beschlossen worden ist, bleibt unklar. Stattdessen ist weiterhin die Erlaubnis durch die Ausländerbehörde erforderlich, was zu unnötigem bürokratischen Aufwand und Unklarheiten führt.

Note: 4

Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen (Kapitel 2, Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes; §§ 27 bis 36 AufenthG):

Für alle Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 27 bis 36 AufenthG besteht neu ein gesetzlich geregelter unbeschränkter Zugang zu jeder Erwerbstätigkeit (unselbstständige Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit). Grundlage ist der neue § 27 Abs. 5 AufenthG:

"Der Aufenthaltstitel nach diesem Abschnitt berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit."

Eine Arbeitserlaubnis oder die Erlaubnis für die Selbstständigkeit durch die Ausländerbehörde muss nicht beantragt werden. Falls etwas anderes in der Nebenbestimmungen zur Aufenthaltserlaubnis vermerkt sein sollte, ist dies rechtswidrig. Man sollte dies umgehend und kostenfrei von der Ausländerbehörde korrigieren lassen. Der unbeschränkte Zugang zu jeder Erwerbstätigkeit gilt auch dann, wenn der oder die "Stammberechtigte" (noch) keinen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang besitzt.

Beispiel: Eine ausländische Studierende besitzt eine AE nach § 16 Abs. 1 AufenthG. Damit darf sie per Gesetz 120 ganze Tage im Jahr eine Beschäftigung ausüben, für darüber hinaus gehende Beschäftigungen ist i. d. R. eine Arbeitserlaubnis mit Zustimmung durch die ZAV erforderlich. Ihr Ehemann ist jetzt nach Deutschland nachgezogen und besitzt eine AE nach § 30 AufenthG. Damit hat er nun, anders als seine Frau, automatisch die Erlaubnis für jede Erwerbstätigkeit – unabhängig vom Umfang.

Diese Neuregelungen für Familienangehörige sind konsequent, tragen zur Klarheit bei und erleichtern indirekt die Möglichkeiten des Familiennachzugs, da es in einigen Fällen rechtlich leichter wird, den Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit sicherstellen zu können.

Note: 1

Aufenthaltsgestattung (§ 55 iVm § 61 AsylVfG)

Im Bereich der Aufenthaltsgestattung sind einerseits weit reichende Verbesserungen zu verzeichnen, die andererseits aber – aus sozialpolitischer Sicht betrachtet – nicht konsequent zu Ende gedacht wurden. Zum einen wurde die Wartefrist für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis von zwölf auf neun Monate verkürzt (Zeiten eines anderen Aufenthaltsstatus' werden angerechnet!), zum anderen sind endlich die Erleichterungen, die im Kern auch zuvor bereits für Geduldete gegolten haben, auch auf Personen mit einer Aufenthaltsgestattung übertragen worden:

  • Eine betriebliche Ausbildung ist nun nach neun Monaten ohne Zustimmung der ZAV möglich
  • Eine zustimmungsfreie Erlaubnis zur Ausübung jeder Beschäftigung ist nach vierjährigem Aufenthalt möglich. Die ZAV wird nicht mehr beteiligt, eine Vorrang- und Lohnprüfung finden nicht statt.

Daneben sind zustimmungsfrei (nach neun Monaten) insbesondere Tätigkeiten im Bereich Freiwilligendienste, Praktika (die im Rahmen einer Schul- oder Hochschulausbildung oder eines EU-geförderten Programms absolviert werden) sowie hochqualifizierte Tätigkeit für inländische Hochschulabsolvent_innen möglich.

Kritikpunkte sind allerdings vor allem die Beibehaltung einer (wenn auch verkürzten) Wartefrist, des nachrangigen Arbeitsmarktzugangs innerhalb der ersten vier Jahre sowie der vollständige Ausschluss von Ausbildungsförderung. Zudem ist die Erlaubnis einer selbstständigen Tätigkeit mit einer Aufenthaltsgestattung ausgeschlossen.

Note: 4-

Duldung:

Die Regelungen mit einer Duldung entsprechen nunmehr weitgehend denjenigen mit einer Aufenthaltsgestattung – mit zwei wesentlichen Einschränkungen:

Zum einen: Die Wartefrist beträgt statt neun Monate weiterhin ein Jahr. Dass diese nicht angeglichen worden ist, entbehrt jeder Logik.

Beispiel: Ein Asylantragsteller hat nach einem zehnmonatigen Aufenthalt mit Zustimmung der ZAV einer Erlaubnis zur Beschäftigung in einem Restaurant erhalten. Nun wird sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt. Eine Abschiebung findet bis auf weiteres nicht statt, er erhält eine Duldung. Da hiermit jedoch eine zwölfmonatige Wartefrist gilt, muss er seine Beschäftigung aufgeben, zwei Monate warten und dann einen neuen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen. Wenn die Stelle dann noch da ist und er erneut die Zustimmung erhält, könnte er wieder anfangen zu arbeiten. Logik geht anders...

Interessant bleibt in diesem Zusammenhang übrigens folgende Frage: Ist ein Arbeitsmarktzugang zu zustimmungsfreien Tätigkeiten (z. B. Ausbildung) bereits innerhalb der ersten zwölf Monate gegeben? Der Wortlaut des § 32 BeschV spricht dafür. Hiernach besteht zwar innerhalb der ersten zwölf Monate nicht die Möglichkeit, eine Zustimmung zur Beschäftigung zu erhalten. Wenn aber gar keine Zustimmung erforderlich ist, wie etwa für eine Ausbildung oder ein Praktikum, so könnte diese vom Wortlaut her bereits innerhalb der Wartefrist ausgeübt werden, wenn die Ausländerbehörde dies erlaubt. Rechtlich steht dem zumindest nichts entgegen. Ob der Verordnungsgeber dies allerdings beabsichtigt hat, ist zweifelhaft.

Dennoch: Die unklare Formulierung sollte genutzt werden!

Und schließlich: Das Arbeitsverbot als Sanktion bei „Einreise zum Sozialhilfebezug“ oder „selbstverschuldeten Abschiebungshindernissen“ ist bis auf marginale Formulierungsveränderungen beibehalten worden. Die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatten sich zwischenzeitlich im Bundesrat für eine ersatzlose Streichung des Arbeitsverbots eingesetzt und dies unter anderem damit begründet, dass es „zu einer Belastung der sozialen Sicherungssysteme“ führe und zudem faktisch wenig wirksam sei. Dennoch hat der Bundesrat mit sozialdemokratischer Mehrheit der Beibehaltung des Arbeitsverbots zugestimmt.

Jenseits aller sozial- und integrationspolitischen Argumente ist festzustellen: Das Arbeitsverbot ist menschen- und völkerrechtswidrig. Artikel 6 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (wsk-Pakt), der seit 1976 in Deutschland verbindliches Recht ist, stellt folgendes fest:

„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht auf Arbeit an, welches das Recht jedes einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, umfasst, und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz dieses Rechts.“

Wie ein staatlich verordnetes Arbeitsverbot mit diesem Paradigma vereinbar ist, bleibt schleierhaft...

Note: 6

Gesamtnote: noch ausreichend

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