Der Flüchtlingsrat NRW schreibt an die CDU

Am 15.1.2024 hat der Vorstand der CDU den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der Partei verabschiedet. Dieser sieht durch die Auslagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der EU eine faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl vor. Anlässlich der bevorstehenden Regionalkonferenzen der CDU, u.a. am 1.3.2024 in Köln, auf denen über das Grundsatzprogramm beraten werden soll, haben wir uns daher mit untenstehendem Schreiben an die Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion sowie den Landesfachausschuss für Vielfalt und Integration der Partei gewendet – als Appell, das Asylrecht entschieden zu verteidigen und sich für eine entsprechende Überarbeitung des Programmentwurfs einzusetzen.

Nun richten wir die Bitte an Sie: Schließen Sie sich uns an! Wenden Sie sich an Politikerinnen der CDU – gerne mit unserem Schreiben als Vorlage – oder planen Sie lokale Protestaktionen, etwa im Rahmen der Kölner Regionalkonferenz im März, um eine weitere Aushöhlung der Grundrechte von Flüchtlingen zu verhindern! Als demokratischer Rechtsstaat muss Deutschland weiterhin offen für Menschen bleiben, die bei uns Schutz suchen!

 

Sehr geehrte:r Frau/Herr …,

am 15.01.2024 hat der Vorstand der CDU den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm verabschiedet, über den bei den anstehenden Regionalkonferenzen, unter anderem am 01.03.2024 in Köln, beraten werden soll. Wir bitten Sie herzlich, Initiative zu ergreifen, damit der Programmentwurf nicht in der vorliegenden Form verabschiedet wird!

Erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass auch (hochrangige) CDU-Mitglieder sich bei den jüngsten bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus als Teilnehmende oder in einem Redebeitrag für Vielfalt, Toleranz und gegen Ausgrenzung ausgesprochen haben. Die große Teilnehmendenzahl der aktuellen Demonstrationen verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, wie stark der Rückhalt für die Ideale von Vielfalt, Zusammenhalt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in unserer Gesellschaft weiterhin ist.

Die CDU hat sich klar gegen die Rechtsextremen und ihre rassistischen und antisemitischen Fantasien ausgesprochen und bezieht auch in ihrem Entwurf des Grundsatzprogrammes deutlich Stellung. Sie bekennt sich zur Achtung der Würde des einzelnen Menschen und zu den Grund- und Menschenrechten sowie zu unserem Rechtsstaat (Seite 2). Weiter heißt es in dem Grundsatzprogramm:
„Wir setzen uns für eine effektive und nicht nur symbolische Verteidigung der Menschenrechte ein. Wir machen uns für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, ethnischen Minderheiten und marginalisierten Gruppen (…) stark.“ (S.25)

Die Geltung der Menschenrechte für alle Menschen ist gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung, wo grundlegende Rechte infrage gestellt werden. Deutschland hat schon aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung. Daher sind wir bestürzt, dass die CDU in ihrem Programmentwurf an anderer Stelle einen „grundlegenden Wandel des europäischen Asylrechts“ fordert und das Asylrecht in Europa faktisch abschaffen will. Wörtlich heißt es in dem Programmentwurf:
„Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“

Seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Grundgesetzes vor 75 Jahren ist das Grundrecht auf Asyl noch nie so grundsätzlich in Frage gestellt worden. Wir erinnern exemplarisch an die Worte des Alt-Bundeskanzlers Helmut Kohl, der angesichts von Forderungen nach Abschaffung des Asylgrundrechts vor dem CDU-Bundesvorstand am 30. August 1991 erklärte:
„Es gehört zu den Erfahrungen aus deutscher Geschichte, nicht zuletzt der Christlich Demokratischen Union, dass das Asylrecht heilig sein soll für jeden, der aus religiösen, politischen und sonstigen Gründen wirklich verfolgt wird. Wer in Gefahr für Leib und Leben ist, muss hier Zuflucht finden können. Diejenigen, die zu einem Kahlschlag raten, können dies nicht im Rahmen der Christlich Demokratischen Union tun.“

Dieses Bekenntnis findet auch im noch aktuellen CDU-Grundsatzprogramm von 2007 Ausdruck:
„Gleichzeitig gewährt die Bundesrepublik Deutschland zahlreichen Menschen aus humanitären Gründen Zuflucht, wie es der aus unserem christlich geprägten Menschenbild entspringenden Verantwortung entspricht.“

Inzwischen ist in der öffentlichen Diskussion statt von Schutzsuchenden fast nur noch von „irregulärer Migration“ die Rede. Dabei wird unterschlagen, dass eine Flucht in den allermeisten Fällen gar nicht regulär stattfinden kann. Es scheitert schon daran, dass es kein Visum zum Zwecke der Asylantragstellung gibt und ohne Visum ist die Einreise nach Deutschland für die Schutzsuchenden aus den meisten Fluchtstaaten wegen der geltenden Visumspflicht „irregulär“. Wenn in dieser Weise den Schutzsuchenden ihr Entkommen vorgeworfen wird, zeigt dies, wie erfolgreich die AfD bereits jetzt die öffentliche Debatte bestimmt.

Die EKD formuliert in ihrer gemeinsamen Erklärung zur Reform des Asylrechts:
„Gerade für Politikerinnen und Politiker, die sich am christlichen Menschenbild orientieren und die sich den Begriff der Humanität auf die Fahnen schreiben, sollte das Eintreten für den Flüchtlingsschutz ein Herzensanliegen sein. Der Platz von Christinnen und Christen ist an der Seite der Schutzsuchenden. Sich der Verantwortung zu entledigen ist für uns keine Option.“

Der Bundesrat hat mit den Stimmen der CDU in seiner 1041. Sitzung am 2. Februar 2024 eine Entschließung gefasst, in der es heißt:
„Mehr denn je bedarf es jetzt eines entschlossenen Eintretens für die Verfassung, den liberalen Rechtsstaat und die Würde jedes einzelnen Menschen. Einen ersten Schritt dafür haben all jene Menschen getan, die in den letzten Tagen bundesweit auf die Straßen gegangen sind. (…)“

Wir bitten Sie, diese Bekenntnisse ernst zu nehmen und gerade angesichts des Erstarkens von Hass und Hetze in den letzten Monaten die Grund- und Menschenrechte einschließlich des Asylrechts zu verteidigen. Zu den Lehren aus dem Nationalsozialismus gehört auch der Schutz von Verfolgten. Sie sollten nie wieder vor verschlossenen Grenzen stehen.

In der Hoffnung auf Ihre Unterstützung verbleibe ich/verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Kontakt

GGUA Flüchtlingshilfe
Hafenstraße 3–5 (2. Etage)
48153 Münster

Email: info(at)ggua.de
Telefon: 0251 / 14486-0
Fax:       0251 / 14486-10

Unsere Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag
9–12:30 Uhr
Montag und Donnerstag
14–18 Uhr