Anhörung im Integrationsausschuss NRW: Situation osteuropäischer Zuwanderer_innen

Am Mittwoch, 8. Mai, hat im Integrationsausschuss des Landes NRW eine Sachverständigenanhörung zur Situation osteuropäischer Unionsbürger_innen stattgefunden. Auch ein Vertreter der GGUA war als Sachverständiger eingeladen. 

 

Wir dokumentieren im Folgenden die Presseerklärung zu der Anhörung des Landtags.


Hier finden Sie sämtliche schriftlichen Stellungnahmen, die bei der Anhörung vorgelegt wurden.

 

Ab kommendem Jahr gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien. Zu diesem Thema hatte gestern der Integrationsausschuss (Vorsitz Arif Ünal, GRÜNE) Sachverständige zu Gast, die die Situation und Perspektive von Roma in Deutschland, speziell in Nordrhein-Westfalen, erörterten.

Prof. Dr. Dorothee Frings von der Hochschule Niederrhein erwartete keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Ansprüche auf Sozialleistungen ab dem kommenden Jahr. Die Juristin stellte klar: "Zuzug ist erwünscht. Wandern zur Arbeit wird in der EU gefördert." Dies bedeute aber auch Anfangsschwierigkeiten, welche einige wenige Kommunen beträfen, diese allerdings sehr deutlich. Viele davon lägen in NRW. Die betroffenen Städte könnten diese große Herausforderung aber nicht allein stemmen.

Aus Sicht der Stadt Dortmund erläuterte Stadträtin Birgit Zoerner, dass zwar alle angemeldeten zugewanderten Kinder in die Schule gingen, die entsprechenden Auffangklassen, die auf den Regelunterricht vorbereiteten, aber mit bis zu 30 Kindern bis zum Anschlag gefüllt seien. Darunter gebe es Kinder und Jugendliche, die in ihrem bisherigen Leben weder Schule noch Kindergarten besucht hätten. Deshalb reiche das bestehende Schulsystem nicht aus; man brauche eine der Schule vorgelagerte Institution, die auf die Regelschule vorbereite.

Auch Kai Diekelmann vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln erklärte, nach 1990 habe es ebenfalls Horrorszenarien gegeben, welche Menschenmassen bei Öffnung der Grenze nach Deutschland kommen könnten. Diese hätten sich auch nicht bewahrheitet. Er meinte: "Gäbe es in Dortmund, Duisburg und Köln nicht größere Zahlen von Roma, dann würden wir uns hier gar nicht treffen." Schnelle Lösungen gebe es bei komplexen Herausforderungen aber nicht. Notwendig seien eine Anerkennungs- und Respektkultur und die Bereitschaft, von sichtbarer Armut konfrontiert zu werden. Es gelte, die Armutsbekämpfung in den Blick zu nehmen.

An welche Grenzen man konkret im Jetzt und vor Ort stoße, machte der Praktiker Deniz Aksen vom Verein Zukunftsorientierte Förderung deutlich: "Wir sind total überfordert in Duisburg, so können wir nicht mehr weiter arbeiten." Häuser, in denen Roma wohnten, würden mit Hakenkreuzen beschmiert, ein Brand sei gelegt worden. Auch Claudius Voigt von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender in Münster beklagte, dass Sozialarbeiter, die für Flüchtlinge ein menschenwürdiges Existenzminimum durchfechten wollten, sich mit juristisch komplexen Fragestellungen befassen müssten, weil die einzige Möglichkeit zur Erreichung des Ziels in einer Klage vor dem Sozialgericht bestehe. Das sei ein Skandal. Bei vier Senaten und vier Meinungen hänge es zudem vom Glück ab, an wen die Betroffenen gerieten. "Wir können es uns nicht leisten, als weit entwickelter Rechtsstaat eine Bevölkerungsgruppe unterhalb der Existenzgrenze leben zu lassen", unterstrich er. Tatsächlich, erläuterte Juristin Frings, gebe es eine völlig konträre Rechtsprechung, allerdings mit der Tendenz: "Nichts genaues weiß man nicht, also im Zweifel für den Notleidenden".

Kurt Holl vom Verein ROM betonte, Zuwanderung bedeute nicht automatisch Armutszuwanderung und diese ebenso wenig per se Roma-Zuwanderung. Es gebe hier genauso eine Unter-, Mittel- und Oberschicht wie in der sonstigen Querschnittsbevölkerung auch. Zudem seien die Menschen in der Regel ihr Leben lang einem Beruf nachgegangen und könnten ohne Probleme hier arbeiten, wenn sie denn eine Arbeitserlaubnis erhielten. Holl berichtete von einem Projekt seines Kölner Vereins, das Roma-Kinder mit Hilfe von Stadt und Land auf die Regelschule vorbereite. In der Vorbereitungsschule arbeite ein Lehrer, der dieselbe Herkunftssprache spreche wie die Kinder. Die Bedeutung eines solchen Herkunftssprachenlehrers könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. "Sprache schafft Vertrauen", unterstrich Holl. So wolle sein Verein den Weg in die Regelschule ebnen, damit nicht weiterhin die Hälfte aller Roma-Kinder auf Förderschulen geschickt würden, was eine katastrophale Ausgrenzung bedeute.

Auch Karl-August Schwarthans von der AWO-Integrationsgesellschaft betonte, die Hauptmotivation der hierhin geflüchteten Roma-Eltern sei es, ihren Kindern faire Bildungschancen zu eröffnen. Und ihre Kinder, so sagten auch die Schulleitungen, zeichneten sich als schulbegeistert, lernbereit und integrationswillig aus. Nur leider gebe es in Köln trotz Schulpflicht eine Warteliste für Plätze in der Regelschule. 350 Kinder und Jugendliche, mehrheitlich Kandidatinnen und Kandidaten für die Mittel- und Oberstufe, warteten auf die Schulbank.

 

Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags
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